Einem Chefarzt steht keine gesonderte Vergütung für die geleisteten Rufbereitschaften und Bereitschaftsdienste zu, sofern er eine Gesamtvergütung bezieht, die die Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet. Das geht aus einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm hervor. Im Kern ging es um die Frage, ob ein Chefarzt für Überstunden ein weiteres Entgelt verlangen kann oder ob die Überstunden durch sein hohes Gehalt mitabgegolten sind.
Besserverdiener werden nicht nach Arbeitszeit bezahlt
Der Fall
Der Chefarzt eines katholischen Krankenhauses erhält laut Dienstvertrag eine Vergütung in Höhe von rund 100.000 € pro Jahr. Außerdem darf er die Vergütung für wahlärztliche Leistungen sowie Gutachterhonorare privat vereinnahmen – jährlich nochmals rund 20.000 €. Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaften sollten laut Dienstvertrag mit der Vergütung abgegolten sein. Der Mediziner leistete regelmäßig rund 15 Rufbereitschaftsdienste im Monat. 30 Prozent dieser Dienste fielen auf Wochenenden und Feiertage. Der Chefarzt verlangte hierfür Vergütungsnachzahlungen. Er vertrat die Auffassung, dass die arbeitsvertragliche Klausel, die ihn verpflichte, „durchschnittlich mindestens 10 Rufbereitschaftsdienste im Monat“ zu leisten, wegen Intransparenz gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sei. Damit sei auch die Vergütungsregelung jedenfalls insofern unwirksam, als auch Rufbereitschaftsdienste abgegolten sein sollten. Da der Dienstvertrag keine wirksame Regelung zur Leistung von Rufbereitschaftsdiensten sowie deren Vergütung enthalte, sei für die geleisteten Rufbereitschaftsdienste ein zusätzliches Entgelt zu zahlen. Für die Jahre letzten Jahre bedeute dies einen erhöhten Vergütungsanspruch für die geleisteten Rufbereitschaften in Höhe von rund 75.000 €.
Die Entscheidung
Das Gericht entschied gegen den Chefarzt. Es könne offenbleiben, ob die vertragliche Regelung, die eine gesonderte Vergütung ausschließe, wirksam sei. Wäre sie es nicht, komme grundsätzlich ein Entgeltanspruch aus § 612 Abs. 1 BGB in Betracht. Nach dieser Vorschrift gelte eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten sei. Erforderlich sei dabei eine objektive Vergütungserwartung. Im Streitfall fehle es an einer solchen Vergütungserwartung. Als Chefarzt schulde der Kläger Dienste höherer Art. Deshalb sei er mit einem leitenden Angestellten vergleichbar. Bei diesen werde jedoch die Vergütung unabhängig von der üblichen Arbeitszeit vereinbart. Mehrarbeit, die sich daraus ergebe, dass der Chefarzt die ihm verantwortlich übertragenen Aufgaben erledige, sei grundsätzlich mit der vereinbarten Vergütung abgegolten. Dies gelte jedenfalls dann, wenn neben dem Gehalt auch noch ein Liquidationsrecht vereinbart sei – so wie hier im Streitfall.
Auch die Höhe der Vergütung spreche gegen das Bestehen einer objektiven Vergütungserwartung. Der Mediziner überschreitet mit einem Einkommen von 100.000 € jährlich die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung deutlich. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) gehörten abhängig Beschäftigte, die die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung überschritten, zu den Besserverdienern, die nach der Erfüllung ihrer Arbeitsaufgaben und nicht nach der Erfüllung eines bestimmten Stundensolls beurteilt würden.
Fazit
Eine Klausel im Arbeitsvertrag eines Chefarztes, wonach geleistete Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaften mit der vereinbarten Vergütung pauschal abgegolten sind, kann gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sein, wenn der Umfang der zu leistenden Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaften vertraglich nicht hinreichend genau festgelegt ist. Eine gesonderte Vergütung für die geleisteten Rufbereitschaften und Bereitschaftsdienste nach § 612 BGB steht dem Chefarzt gleichwohl nicht zu, sofern er eine Gesamtvergütung erhält, die die Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet.
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