Können Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen keine Nachtschichten mehr leisten, so sind sie nicht arbeitsunfähig krank, sondern haben einen Anspruch auf Beschäftigung ohne Nachtschicht. Mit dieser Entscheidung haben die Erfurter Bundesrichter die Rechte von Schichtarbeitern erheblich gestärkt und im konkreten Fall eine Krankenschwester vor dem Verlust des Arbeitsplatzes bewahrt.
BAG stärkt Schichtarbeitern den Rücken
Der Fall
Eine Arbeitnehmerin ist seit 1983 in einem Krankenhaus als Krankenschwester im Schichtdienst tätig. Nach dem Arbeitsvertrag ist sie im Rahmen begründeter betrieblicher Notwendigkeiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, und Wechselschichtarbeit verpflichtet. Das Pflegepersonal arbeitet im Schichtdienst mit Nachtschichten von 21:45 Uhr bis 6:15 Uhr. Die Krankenschwester ist aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, Nachtdienste zu leisten, weil sie medikamentös behandelt wird. Nach einer betriebsärztlichen Untersuchung schickte der Pflegedirektor die Krankenschwester im Juni 2012 mit der Begründung nach Hause, sie sei wegen ihrer Nachtdienstuntauglichkeit arbeitsunfähig krank. Die Krankenschwester bot ihre Arbeitsleistung dennoch – mit Ausnahme von Nachtdiensten – ausdrücklich an, wurde aber nicht beschäftigt. Sie erhielt zunächst Entgeltfortzahlung und bezog dann Arbeitslosengeld. In der Folge verklagte sie die Klinik auf Beschäftigung und Vergütung der Zeiten der Nichtbeschäftigung.
Die Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg. Die Klinik muss die Klägerin weiterbeschäftigen und für die Zeit der Nichtbeschäftigung Annahmeverzugslohn leisten. Nach Auffassung des Gerichts ist die Klägerin weder arbeitsunfähig krank noch ist ihr die Arbeitsleistung unmöglich worden. Sie kann alle vertraglich geschuldeten Tätigkeiten einer Krankenschwester ausüben. Die Klinik muss bei der Schichteinteilung auf das gesundheitliche Defizit der Klägerin Rücksicht nehmen. Auf die Vergütung hat sie unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs Anspruch, weil sie die Arbeit ordnungsgemäß angeboten hat und die Klinik erklärt hatte, sie werde die Leistung nicht annehmen (BAG, Urteil vom 09.04.2014, Az.: 10 AZR 637/13).
Fazit
Eine weitreichende Entscheidung des BAG, die jeden Betrieb betrifft, in dem Schichtdienst geleistet wird. Ist ein Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen unfähig, Nachdienste zu leisten, so kann der Arbeitgeber diese „Teil-Arbeitsunfähigkeit“ nun nicht mehr als Begründung für eine vollumfängliche krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit heranziehen, die es ihm ermöglicht, auf den Einsatz des betreffenden Arbeitnehmers vollständig zu verzichten. Das BAG hat insoweit die Rechte der gesundheitlich nur beschränkt einsatzfähigen Beschäftigten erheblich gestärkt.
Betriebsrat entscheidet mit
Der Betriebsrat hat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht, wenn es um den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage geht. Auf die Schichtarbeit bezogen haben die Gerichte in den nachstehend aufgeführten Fällen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bejaht:
- Einführung und Abschaffung von Schichtarbeit
- Festlegung der konkreten Modalitäten von Schichtarbeit (z. B. zeitliche Lage der einzelnen Schichten oder Abgrenzung des Personenkreises, der Schichtarbeit zu leisten hat)
- Ausfall ganzer Schichten
- Umstellung von drei auf zwei Schichten
- Wegfall der Nachtschicht
- Streichung einer oder mehrerer im Jahresschichtplan vorgesehenen Schichten
- Festlegung von Beginn und Ende der einzelnen Schichten
- Aufstellung von Schichtplänen
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