Infiziert sich ein Patient in einem Krankenhaus mit einem multiresistenten Erreger, so lässt sich dies nicht zwangsläufig auf einen Behandlungsfehler zurückführen. Eine Haftung der Klinik kommt nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Naumburg nur in Betracht, wenn die Keimübertragung durch die gebotene hygienische Vorsorge zuverlässig hätte verhindert werden können. 

Infektion mit Staphylococcus aureus ist kein Indiz für Behandlungsfehler

Der Fall
Die Klägerin verlangt Schmerzensgeld und Schadenersatz von der beklagten Klinik, weil ihr verstorbener Ehemann durch einen Klinikarzt fehlerhaft behandelt worden sei und deshalb an Multiorganversagen aufgrund einer Sepsis nach einer Infektion mit einem multiresistenten Staphylococcus aureus verstorben sei. Aus ihrer Sicht hätte die vorgenommene Blutuntersuchung früher erfolgen müssen, was zu einer früheren Diagnose der Sepsis geführt hätte. Außerdem hätte ihr diabeteskranker Ehemann durch eine frühzeitige Umkehrisolierung besser abgeschirmt werden müssen. Dass dies nicht geschehen sei, stelle einen schweren ärztlichen Behandlungsfehler dar. Der schwerwiegendste Fehler liege jedoch in den fatalen hygienischen Verhältnissen in der Klinik. So sei das Verbandsmaterial am Körper des Verstorbenen urindurchtränkt gewesen, was eine Einbruchstelle für Infektionskeime dargestellt habe. Eine Verurteilung der Klinik müsse nach Ansicht der Klägerin bereits deshalb erfolgen, weil das Krankenhaus die Einhaltung der Hygienestandards nicht in der Patientenakte dokumentiert habe.

Die Entscheidung
Das Gericht war anderer Auffassung und wies die Klage ab. Die Klägerin habe gegen die Klinik keine Ansprüche auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz wegen fehlerhafter Behandlung. Die Infektion mit einem multiresistenten Erreger begründe weder zwangsläufig eine Haftung der Klinik noch stelle sie ein Indiz für einen Behandlungsfehler dar. Grundsätzlich hafte ein Arzt nur dann für die Infizierung eines Patienten mit Keimen, wenn feststeht, dass er den von ihm zu fordernden Qualitätsstand unterschritten hat, die Infektion durch die gebotene hygienische Vorsorge zuverlässig hätte verhindert werden können und dies auch ursächlich für die Schädigung des Patienten war. Zwar seien im Streitfall im Laufe der Behandlung ärztliche Standards verletzt worden. Denn zum einen hätte die Blutuntersuchung auf Keime früher angeordnet werden müssen und zum anderen hätte ein anderes Antibiotikum verabreicht werden müssen. Diese Versäumnisse seien jedoch nicht für die Infektion und deren tödlichen Verlauf verantwortlich gewesen, denn der Ehemann der Klägerin sei an einer Infektion gestorben, deren Erreger gegen alle Antibiotika resistent war 

Fazit
1. Die Infektion mit einem multiresistenten Erreger begründet weder per se eine Haftung der Klinik noch stellt sie ein Indiz für eine mangelhafte Behandlung dar. Der behandelnde Arzt schuldet dem Patienten keinen absoluten Schutz vor Infektionen, den niemand bieten kann. Eine Haftung des Arztes oder der Klinik für eine Infizierung durch Keime kommt nur in Betracht, wenn die Keimübertragung durch die gebotene hygienische Vorsorge zuverlässig hätte verhindert werden können. Nur wenn feststeht, dass die Infektion aus einem hygienisch beherrschbaren Bereich hervorgegangen ist, hat der Behandelnde für die Folgen der Infektion einzustehen, sofern er sich nicht ausnahmsweise entlasten kann.

2. Eine räumliche Separierung im Sinne einer Umkehrisolierung kommt bei Patienten in Betracht, die hochgradig infektanfällig sind, sei es wegen einer Immunsubpression, einer Brandverletzung oder wegen einer Immunschwächekrankheit. Dies ist nicht schon bei Diabetespatienten der Fall.

3. Die Dokumentation und Kontrolle allgemeiner Hygieneregeln und -standards erfolgt nicht patientenbezogen oder in einzelnen Krankenakten, denn eine Dokumentation, die aus medizinischer Sicht nicht erforderlich ist, ist auch aus Rechtsgründen nicht geboten.

4. Dass man sich in jedem Krankenhaus möglicherweise mit Keimen infizieren kann und dass dieses Risiko bei einer Vorerkrankung oder dem Vorhandensein von Wunden erhöht ist, ist allgemein bekannt und nicht Gegenstand der besonderen Risikoaufklärung im Rahmen eines stationären Aufenthalts als solcher.

(OLG Naumburg, Urteil vom 12.06.2012, 1 U 119/11).