Wird vom Pflegeheimpersonal heißer Tee in Thermoskannen unbeaufsichtigt in einem Raum mit pflegebedürftigen und auch demenzkranken Heimbewohnern zurückgelassen, so haftet der Heimbetreiber, wenn sich eine im Rollstuhl sitzende pflegebedürftige Heimbewohnerin mit heißem Tee verbrüht. Das hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) entschieden und den Heimbetreiber verurteilt, an die Krankenkasse, bei der die Heimbewohnerin versichert war, die Behandlungskosten in Höhe von rund 85.000 € zu ersetzen.

Unbeaufsichtigtes Zurücklassen von heißem Tee ist Pflichtverletzung

Der Fall
Eine 73 Jahre alte und pflegebedürftige Heimbewohnerin war beim Essen und Trinken auf Hilfe angewiesen und saß im Rollstuhl (Pflegestufe III). Nach dem Mittagessen wurde sie zusammen mit anderen – auch demenzkranken – Heimbewohnern unbeaufsichtigt in einem Aufenthaltsraum zurückgelassen. Das Pflegepersonal hatte zuvor heißen Tee in Thermoskannen abgefüllt und auf die Fensterbank gestellt. Später wurden bei der alten Dame erhebliche Verbrennungen an den Oberschenkeln festgestellt. Sie musste länger als einen Monat im Krankenhaus behandelt werden. Es waren u. a. auch Hauttransplantationen erforderlich. Die Behandlungskosten über 85.000 € wollte die Krankenkasse der alten Dame anschließend von dem Heimbetreiber ersetzt haben.

Die Entscheidung
Zu Recht, urteilte das OLG. Der Heimbetreiber ist der Krankenkasse zum Schadenersatz verpflichtet gemäß § 116 SGB X. Gegenüber Heimbewohnern habe er Leistungen nach dem anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse zu erbringen. Darüber hinaus treffe ihn eine Obhuts- und Fürsorgepflicht, insbesondere im Zusammenhang mit übernommenen Pflegeaufgaben. Nach Auffassung des Gerichts liege eine Pflichtverletzung des Pflegepersonals vor, wenn heißer Tee in Thermoskannen unbeaufsichtigt in einem Raum mit pflegebedürftigen Heimbewohnern, auch Demenzerkrankten, gelassen werde. Denn es sei für das Pflegepersonal vorhersehbar gewesen, dass sich ein in diesem Aufenthaltsraum befindlicher anderer Bewohner einer Thermoskanne bemächtige, um dann der Heimbewohnerin Tee einzuschenken, den sie dann entweder beim Ansetzen zum Trinken verschütte oder aber es beim Verschütten durch diesen weiteren Bewohner zu erheblichen Verbrühungen komme. Das Personal hätte dies bei Anwesenheit im Raum verhindern können und im Rahmen der Aufsichtspflicht auch müssen. Zwar sei es dem Personal nicht abzuverlangen, ständige Aufsicht zu führen. Dem Heimbetreiber sei es jedoch ohne finanziell erheblichen Aufwand möglich gewesen, das vorhersehbare Schadensgeschehen abzuwenden. So hätte es ausgereicht, dass das Personal bei Verlassen des Aufenthaltsraumes diese Thermoskannen schlicht mitgenommen hätte, um damit eine potenzielle Gefahr abzuwenden (Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 31.05.2013, Az.: 4 U 85/12).

Fazit
Heimbetreiber unterliegen einer Obhutspflicht gegenüber ihren Heimbewohnern, vor allem im Zusammenhang mit übernommenen Pflegeaufgaben. Dabei trifft das Pflegepersonal eine Aufsichtspflicht, nach der offensichtlich vorhersehbare Schadensgeschehnisse durch notendige Vorkehrungen abzuwenden sind.

Kliniken müssen Patienten vor Eigen- und Fremdgefährdungen schützen

Krankenhäuser und ihre angestellten Ärztinnen und Ärzte sowie das Pflegepersonal haben gegenüber jedem einzelnen Patienten eine Obhuts- und Fürsorgepflicht. Wird diese verletzt, so erwachsen hieraus haftungsrechtliche Ansprüche des Patienten. Dies gilt insbesondere für Minderjährige und verstärkt für Patienten, die möglicherweise nicht vernunftgesteuert und selbstverantwortlich handeln können. In diesem Fall muss das Krankenhaus die Patienten vor Eigengefährdungen und Selbstschädigungen schützen sowie sie daran hindern, andere Personen oder Sachen zu schädigen.