Stellt sich während einer bei einem 8-jährigen Jungen durchgeführten Nieren-OP heraus, dass der geplante Eingriff nicht durchführbar ist, kann eine neue Situation vorliegen, die eine erneute Aufklärung der sorgeberechtigten Eltern über die zu verändernde Behandlung und ihre hierzu erteilte Einwilligung erfordert. Besteht in diesem Fall neben der Entfernung einer Niere grundsätzlich auch die Möglichkeit einer späteren nierenerhaltenden Operation, kann ein Aufklärungsdefizit vorliegen, wenn die Ärzte die Nierenentfernung als einzig mögliche Behandlung darstellen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden und die Klinik zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 12.500 € verurteilt.

Ärzte müssen neu aufklären: Nierenentfernung war nicht alternativlos

Der Fall
Der 2004 geborene Kläger litt u. a. an multiplen Nierengewebsdefekten und einem erweiterten Nierenbeckenkelchsystem, weshalb die linke Niere nur noch 22 % ihrer Funktion hatte. Nach Voruntersuchungen in einer Klinik, einer Bedenkzeit für seine Eltern und einem mit ihnen geführten Aufklärungsgespräch wurde der Kläger im Januar 2013 operiert. Bei der Operation stellte sich heraus, dass die geplante Rekonstruktion aufgrund nicht vorhersehbarer anatomischer Gegebenheiten nicht möglich war. Die Operation wurde deshalb unterbrochen. Eine behandelnde Ärztin schilderte den Kindeseltern die veränderte Situation und empfahl die sofortige Entfernung der linken Niere. Die Kindeseltern stimmten zu. Die Operation wurde in der Folge fortgesetzt und die linke Niere des Klägers entfernt.

Nach der Operation beanstandete der Kläger die Entfernung der linken Niere. Er machte Aufklärungsmängel geltend und verlangte vom Klinikum und der interoperativ aufklärenden Ärztin Schadensersatz, u. a. ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 €. 

Die Entscheidung
Das OLG gab der Klage teilweise statt und sprach dem Kläger aufgrund eines Aufklärungsmangels ein Schmerzensgeld in Höhe von 12.500 € zu. Die Eltern des Klägers wurden während der Operation nicht ordnungsgemäß aufgeklärt. Als sich in dem Moment herausstellte, dass die ursprünglich geplante Rekonstruktion nicht möglich war, lag eine neue Situation vor, die eine veränderte Behandlung erforderlich machte. Diese Situation erforderte eine neue Aufklärung und eine neue Einwilligung der sorgeberechtigten Eltern des Klägers. Hiervon gingen offensichtlich auch die behandelnden Ärzte aus, da sie die Operation unterbrochen haben, um mit den Eltern das weitere Vorgehen zu besprechen. Die daraufhin erfolgte Aufklärung war allerdings unzureichend, weil die das Aufklärungsgespräch führende Ärztin die Entfernung der linken Niere als alternativlos dargestellt und die sofortige Nierenentfernung empfohlen hat (OLG Hamm, Urteil vom 07.12.2016, Az.: 3 U 122/15).

Fazit
Die Patientenaufklärung ist wesentlicher Teil der ärztlichen Behandlung. Damit der Patient im Vorfeld einer Operation seine Einwilligung erklären kann, muss er über die Art der Erkrankung, den gewöhnlichen Verlauf, den geplanten Eingriff sowie die Aussichten und Gefahren des Eingriffs aufgeklärt werden. Nach der Rechtsprechung ist der Patient über Diagnose, Tragweite und Risiken des Eingriffs sowie mögliche Alternativen zu informieren. Nur wenn diese Mitteilung zu ernsten körperlichen und seelischen Schäden beim Patienten führen würde, kann u. a. unter therapeutischen Gesichtspunkten eine Einschränkung der Aufklärungspflicht geboten sein.

BGH verlangt erneute Aufklärung
Was bedeuten diese Grundsätze nun für den Fall, dass während einer OP eine Erweiterung oder Änderung des Eingriffs notwendig wird? Grundsätzlich kann nur eine erklärte Einwilligung des Patienten einen Eingriff in dem Umfang rechtfertigen, über den zuvor aufgeklärt worden ist. Die Konsequenz daraus ist, eine erneute Aufklärung und Einwilligung zu verlangen, bevor der Eingriff fortgesetzt wird. Genau in diese Richtung geht die Rechtsprechung des BGH: „Der Arzt, der während der Operation auf ein erhöhtes Operationsrisiko stößt, muss den Eingriff abbrechen, wenn er für seine Fortsetzung nunmehr mangels Aufklärung darüber keine wirksame Einwilligung des Patienten hat und die Operation infolgedessen in rechtswidriger Weise erfolgen würde“ (BGH, Urteil vom 02.11.1976, Az.: VI ZR 134/75).

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