Eine Aufklärungspflicht des behandelnden Arztes besteht nur hinsichtlich solcher Risiken, die zum Zeitpunkt der Behandlung bereits bekannt sind. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt.

BGH bestätigt: Aufklärungspflicht bezieht sich auf bereits bekannte Risiken

Der Fall
Ein Patient litt an einer Erkrankung der Speiseröhre, die u. a. zu einer funktionellen Stenose und zu Schluckbeschwerden führte (Achalasie). Mindestens zweimal war vergeblich versucht worden, die Probleme durch eine Ballondilatation zu beheben. Infolgedessen empfahl man ihm die operative Versorgung der Achalasie durch eine laparoskopische Ösophagomyotomie verbunden mit einer Hemifundoplicatio im August 2004. 

In dem zuvor geführten Aufklärungsgespräch wurde der Patient über die Risiken einer Blutung, Nachblutung, Infektion, Thrombose usw. aufgeklärt. Ein Hinweis auf die Möglichkeit des Auftretens eines Pleuraergusses (Flüssigkeitsansammlung zwischen Rippen- und Bauchfell) und eines Pleuraempyems (Vereiterung) war nicht erfolgt. Wenige Tage nach der Entlassung hatte der Patient Schmerzen an der Operationsstelle, bis zu 40,5 Grad Fieber und Atemnot, weshalb er sich mehrfach in (not)ärztliche Behandlung begab. Ende August 2004 wurde der inzwischen diagnostizierte Pleuraerguss stationär durch Einlage eines sogenannten Pneumo-Cath-Katheters entlastet. Kurz darauf ergab eine Spiral-CT-Untersuchung des Thorax und des Oberbauchs eine Zunahme des Pleuraergusses links und einen Verdacht auf ein Pleuraempyem. Daraufhin wurden Anfang September 2004 eine explorative Thorakotomie, Dekortikation und Pleurolyse durchgeführt. In der Folge verklagte der Patient die Klinik wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung und unzureichender Aufklärung über die Risiken einer Operation auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. 

Die Entscheidung
In erster Instanz (Landgericht) wurde die Klage abgewiesen. Es seien weder Behandlungs- noch Aufklärungsfehler festzustellen. Der Kläger sei nach den Ausführungen des Sachverständigen weder auf das Risiko eines Pleuraergusses noch auf das Risiko eines Pleuraempyems hinzuweisen gewesen, da es sich bei diesen Erkrankungen nicht um typische Risiken der hier durchgeführten Operation handle. Die zweite Instanz (Oberlandesgericht) gab der Klage nach Anhörung des Sachverständigen zum Vorwurf des Behandlungsfehlers dem Grunde nach statt und stellte die Schadenersatzpflicht der Klinik fest. Der BGH hob in dritter Instanz das Berufungsurteil der zweiten Instanz auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurück.

Nach Meinung der Bundesrichter habe das Berufungsgericht den – durch Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellten – Vortrag der Klinik übergangen. In diesem Schriftsatz habe die Klinik darauf hingewiesen, dass es keine Anhaltspunkte für die Annahme gebe, es sei bereits im August 2004 in der medizinischen Wissenschaft bekannt gewesen, dass bei der operativen Behandlung der Achalasie die Gefahr der Entwicklung eines Pleuraempyems und eines Pleuraergusses bestehe. Mit diesen Gesichtspunkten hätte sich das Berufungsgericht befassen und die Frage, ob das Risiko einer Entstehung eines Pleuraempyems nach Durchführung einer laparoskopischen Ösophagomyotomie tatsächlich bereits im August 2004 bekannt war, durch ein (ergänzendes) Sachverständigengutachten klären müssen (BGH, Urteil vom 29.05.2018, Az.: VI ZR 370/17).

Fazit
War ein Risiko zum Zeitpunkt der Behandlung noch nicht bekannt, besteht diesbezüglich auch keine Aufklärungspflicht. War es dem behandelnden Arzt nicht bekannt und musste es ihm auch nicht bekannt sein, z. B. weil es nur in anderen Spezialgebieten der medizinischen Wissenschaft, aber nicht in seinem Fachgebiet diskutiert wurde, entfällt eine Haftung des Arztes mangels schuldhafter Pflichtverletzung.

Patienten müssen im „Großen und Ganzen“ über Eingriff Bescheid wissen
Patienten sind in der Regel medizinische Laien. Um sich eigenverantwortlich für oder gegen einen von Ärzten angeratenen Eingriff zu entscheiden, benötigen Patienten Informationen, die sie im Rahmen des Aufklärungsgesprächs erhalten. Der Sinn und Zweck dieses Gesprächs besteht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darin, dass der Patient danach „im Großen und Ganzen” weiß, worin er einwilligt. D. h., er muss über die Art des Eingriffs und seine nicht ganz außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegenden Risiken informiert werden, soweit diese sich für einen medizinischen Laien aus der Art des Eingriffs nicht ohnehin ergeben und für seine Entscheidung von Bedeutung sein können. Vor diesem Hintergrund muss dem Patienten eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbundenen Risiken vermittelt werden, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern.