Übersieht ein Arzt trotz des Vorliegens konkreter Anhaltspunkte wie Fieber und Durchfall eine folgenschwere Malaria-Erkrankung bei einer erst kurz zuvor aus dem außereuropäischen Ausland zurückgekehrten Patientin, sind laut einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main die Voraussetzungen eines Diagnosefehlers erfüllt. 

OLG bejaht Diagnosefehler bei Übersehen einer Malaria-Erkrankung

Der Fall
Nach einer Reise durch das südliche Afrika traten bei einer Frau während eines Aufenthalts in einem Hotelzimmer einer deutschen Stadt Fieber und Durchfall auf. Der herbeigerufene Bereitschaftsarzt untersuchte sie und diagnostizierte einen gastrointestinalen Infekt. Er verabreichte der Frau Paracetamol und ging. Eine Malaria-Erkrankung hatte der Arzt nicht in Betracht gezogen, obwohl ihn die Frau auf ihren erst kurz zurückliegenden Aufenthalt in Afrika hingewiesen hatte. In der Folge verschlechterte sich ihr Zustand rapide. Sie erlitt ein Hirnödem und fiel ins Koma. Die Frau wurde schließlich vom Hotelpersonal bewusstlos in ihrem Zimmer vorgefunden und in ein Krankenhaus verbracht. Dort wurde eine Malaria-Erkrankung festgestellt und behandelt. Nach Meinung der Frau hätte der Bereitschaftsarzt dies bereits erkennen müssen. Aufgrund dieses offensichtlichen Diagnosefehlers sei er ihr zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes verpflichtet. 

Die Entscheidung
Das Gericht gab der Klage statt. Der Klägerin stehe ein Schmerzensgeldanspruch zu. Auf der Grundlage der Wertung der ärztlichen Sachverständigen sei ein Diagnosefehler des Arztes zu bejahen. Er hätte die Möglichkeit einer Malaria-Erkrankung erkennen und der Patientin im Rahmen der therapeutischen Aufklärung raten müssen, zur weiteren Befunderhebung ein Krankenhaus aufzusuchen. Es liege ein vorwerfbarer Diagnosefehler vor, weil der Mediziner angesichts der Symptome und der Kenntnis vom außereuropäischen Aufenthalt zumindest auch Malaria in Betracht habe ziehen müssen. Dafür hätten konkrete Anhaltspunkte bestanden. Fieber und Durchfall seien mindestens für zwei Krankheiten kennzeichnend: Malaria und Magen-Darm-Infekt.

Ein Mitverschulden sei der Patientin, die vor ihrem Aufenthalt in Afrika keine Malaria-Prophylaxe vorgenommen hatte, nicht anzulasten. Es mache für das Rechtsverhältnis zwischen Arzt und Patienten keinen Unterschied, ob der Patient durch eigene Schuld behandlungsbedürftig geworden ist oder nicht.OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.03.2017, Az.: 8 U 228/11

Fazit
Für den ärztlichen Alltag hat dieses Urteil zur Konsequenz, dass bei der Kenntnis eines vorangegangenen Aufenthalts im außereuropäischen Ausland immer die Möglichkeit einer importierten Infektionserkrankung in Betracht gezogen werden muss. Das Robert Koch- Institut berichtet in seinen „Steckbriefen seltener und importierter Infektionskrankheiten“ über derartige Erkrankungen unter https://edoc.rki.de/bitstream/handle/176904/3724/steckbriefe.pdf?sequence=1&isAllowed=y. Ob ein Arzt von sich aus nach einem vorangegangenen Aufenthalt im außereuropäischen Ausland fragen muss, war vom OLG nicht zu entscheiden. Eine entsprechende Nachfrage, insbesondere bei unbekannten Patienten, ist aber sicherlich empfehlenswert.

Hinweis
Im Arzthaftungsrecht ist ein Diagnosefehler grundsätzlich nur mit großer Zurückhaltung als Behandlungsfehler zu werten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sind in der Praxis häufig vorkommende Irrtümer bei der Diagnosestellung oft nicht die Folge eines Versehens, das man dem Arzt vorwerfen kann. Denn Krankheitssymptome sind nicht immer eindeutig. Vielmehr können sie auf verschiedene Ursachen hinweisen. Vor diesem Hintergrund stellt ein Fehler bei der Interpretation von Krankheitssymptomen nur dann einen schweren Verstoß gegen die Regeln der ärztlichen Kunst dar, wenn es sich um einen fundamentalen Irrtum handelt, der eine nach dem Facharztstandard nicht mehr verständliche Unterlassung darstellt.