Ein niedergelassener Arzt führte in seiner Praxis bei einer im Jahr 1922 geborenen Frau eine Gastroskopie durch. Die Untersuchung erfolgte nach Gabe von 5 Milligramm des Medikaments „Dormicum“ (Wirkstoff Midazolam). Im Anschluss an die Untersuchung wurde die Patientin in den Aufwachraum der Praxis gebracht und auf eine Patientenliege gelegt. Nachdem die Arzthelferin den Aufwachraum verlassen hatte, stürzte die Patientin von der Liege und zog sich eine Femurfraktur (Oberschenkelbruch) zu.
Die gesetzliche Krankenversicherung der Patientin wendete für die anschließende Heilbehandlung 8.693,27 € auf und machte nun Schadenersatzansprüche gegen den Arzt aus übergangenem Recht geltend.
Der Arzt lehnte die Schadensersatzforderung der Versicherung ab. Er war davon überzeugt, dass ein zurechenbares Fehlverhalten nicht gegeben war, da seine Arzthelferin den Aufwachraum erst verlassen hatte, nachdem die Patientin aufgewacht sei. Aus seiner Sicht sei die Patientin ansprechbar und eine weitere Überwachung somit nicht erforderlich gewesen.
Die Entscheidung des Gerichts:
Das Landgericht Hildesheim hatte über den Fall zu entscheiden. Fraglich war, ob der Arzt eine Pflicht aus dem Behandlungsvertrag gemäß § 280 I BGB verletzt hat.
Ein Arzt hat die Pflicht, die in der Aufwachphase befindliche, mithin unter dem Einfluss des sedativen Medikaments stehende, Patientin so zu überwachen, dass diese nicht aufgrund der durch das Medikament bestehenden geringeren Einsichts- und Steuerungsfähigkeit zu Schaden kommt.
Gerade im Hinblick auf das hohe Alter der Patientin wäre es aufgrund der bewusstseinstrübenden Wirkung des verabreichten Medikaments erforderlich gewesen, zu gewährleisten, dass die Patientin so lange liegen bleibt, bis sie ihr Bewusstsein und ihre Einsichtsfähigkeit in ausreichendem Maße wiedererlangt hat.
Die ist im vorliegenden Fall nicht geschehen. Der Arzt hat die Patientin weder kontinuierlich überwachen lassen, noch durch die Verwendung einer zu allen Seiten abgegrenzten Patientenliege den Schutz der Patientin sichergestellt.
Aus der Pflichtverletzung des Arztes ist der klagenden Versicherung ein Schaden in Höhe von 8.693,27 € entstanden. Der Anspruch der Versicherung ist berechtigt. Der Arzt ist verpflichtet Schadensersatz zu leisten.
Landgericht Hildesheim, Urteil vom 09.01.2015, Az.: 4 O 170/13
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