Vor der Durchführung einer Versteifungsoperation des Sprunggelenks (Arthrodese) muss der behandelnde Arzt seinen Patienten über das Risiko einer Pseudoarthrose informieren. Verletzt er diese Aufklärungspflicht, ist er laut einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm schadenersatzpflichtig.
Pseudoarthrose nach Arthrodese: 6.000 € Schmerzensgeld für Spitzfußstellung
Der Fall
Ein 60-jähriger Metallbaumeister und Berufskraftfahrer eine ärztliche Gemeinschaftspraxis auf. Er klagte über Beschwerden im rechten oberen Sprunggelenk, das in den 1980er Jahren nach einer Fraktur operativ versorgt worden war. In der Praxis diagnostizierte man eine Arthrose, die zunächst konservativ behandelt wurde. Nachdem die Behandlung erfolglos geblieben war, riet der behandelnde Arzt zu einer Versteifungsoperation. Diesen Arthrodese genannten Eingriff ließ der Patient durch den Arzt durchführen. In der Folge kam es zu einer Pseudoarthrose, weil die gewünschte knöcherne Konsolidierung ausblieb. Dadurch entstand eine Spitzfußstellung, die der Patient mit einer Rearthrodese operativ behandeln ließ. Mit der Begründung, die Versteifungsoperation sei behandlungsfehlerhaft ausgeführt und er zuvor nicht ausreichend über die Operationsrisiken aufgeklärt worden, verklagte er die Gemeinschaftspraxis u. a. auf Zahlung eines Schmerzensgeldes.
Die Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg. Das Gericht verurteilte die Praxisbetreiber zur Zahlung eines Schmerzensgeldes an den Patienten in Höhe von 6.000 €. Die im Streitfall erfolgte Risikoaufklärung sei defizitär, weil nicht mit ausreichender Sicherheit feststellbar sei, dass der Patient über das erhöhte Risiko einer Pseudoarthrose mit der Folge einer Schraubenlockerung informiert worden war. Dieses Risiko habe laut Angaben des medizinischen Sachverständigen in dem nicht unerheblichen Umfang von 14 Prozent bestanden und sei deswegen in jedem Fall aufklärungspflichtig gewesen. Die für die erfolgte Risikoaufklärung darlegungs- und beweispflichtige Praxis habe die gebotene Aufklärung nicht nachweisen können.
Von einer hypothetischen Einwilligung des Patienten sei nicht auszugehen. Dieser habe plausibel dargelegt, dass er sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte. In diesem Fall hätte er sich zumindest nochmals ärztlichen Rat in einer anderen Klinik eingeholt, für die er auch bereits eine Überweisung gehabt habe. Da es sich nicht um eine Bagatelloperation gehandelt habe, sei es durchaus nachvollziehbar, dass ein Patient vor der Operation eine zweite Meinung einholen wolle (OLG Hamm, Urteil vom 08.07.2016, Az.: 26 U 203/15).
Fazit
Die Aufklärungspflicht ist eine Hauptpflicht des Arztes aus dem Behandlungsvertrag. Gesetzlich geregelt ist diese Pflicht in den §§ 630e, 630c BGB. Im Mittelpunkt der ärztlichen Aufklärungspflichten steht die Risikoaufklärung. Durch sie soll der Patient die Art und Schwere des Eingriffs erkennen können, indem ihm alle typischen und nicht völlig fern liegenden Risiken, die dem Eingriff anhaften, mitgeteilt werden. Der Umfang der Risikoaufklärung ist dementsprechend weit. Es gilt, den Patienten über alle Risiken zu informieren, die zum Zeitpunkt des Eingriffs aus medizinischer Sicht denkbar sind. D. h., ärztlicherseits ist über alle Schadensrisiken, Komplikationen und schädlichen Nebenfolgen eines Eingriffs zu unterrichten, die auch bei einer fehlerfreien ärztlichen Behandlung nicht auszuschließen sind. Über typische Risiken, die mit dem Eingriff verbunden sind, muss immer und soweit wie möglich objektiv aufgeklärt werden.
Wichtiger Hinweis
Originär hat derjenige Arzt, der die Maßnahme durchführt, den Patienten aufzuklären. Es ist jedoch zulässig, die Aufklärung durch einen anderen Arzt vornehmen zu lassen. In jedem Fall aber muss derjenige Arzt, der die Aufklärung übernimmt, über die zur Durchführung des Eingriffs notwendige Ausbildung verfügen. D. h., der aufklärende Arzt muss nicht zwingend über eine abgeschlossene Weiterbildung verfügen. Für eine ordnungsgemäße Aufklärung kann es ausreichen, wenn der aufklärende Arzt Kenntnisse über die wesentlichen Umstände der durchzuführenden Maßnahme hat. Diese Regelung hat aber zur Folge, dass über gesonderte Maßnahmen in der Regel gesondert aufzuklären ist: So hat der Operateur über die Risiken der Operation einschließlich des mit der Operation verbundenen Risikos und der Anästhesist über die Risiken der Narkose aufzuklären.
Was auch noch wichtig ist
Ärzte, die in einer Gemeinschaftspraxis tätig sind, müssen unbedingt sicherstellen, dass sie über eine umfassende Berufshaftpflichtversicherung verfügen. Gerne überprüfen wir aktuelle Verträge und machen Ihnen ein konkretes Angebot.
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