Schmerzensgeldklage gescheitert: Bestimmung der Größe einer Radiuskopfprothese erst intraoperativ möglich

Vor der Implantation einer Radiuskopfprothese muss der Patient nicht darüber aufgeklärt werden, dass die Prothesengröße erst intraoperativ exakt bestimmt werden kann. Der Beweis für ein ordnungsgemäßes Aufklärungsgespräch kann von dem aufklärenden Arzt nicht mit dem handschriftlich ausgefüllten Aufklärungsbogen geführt werden. Das geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden hervor.

Keine Verletzung der Aufklärungspflicht vor Implantation einer Radiuskopfprothese

Der Fall
Der Kläger, ein Koch, hatte sich bei einem Unfall eine Ellenbogenfraktur und einen Bruch des Radiusköpfchens im Bereich des Ellenbogens zugezogen. Vor der Implantierung einer Prothese wurde ein Aufklärungsgespräch geführt. Danach unterzeichnete der Kläger einen Aufklärungsbogen. In der Folge behauptete er, die implantierte Radiuskopfprothese sei zu groß gewählt worden. Aus diesem Grund sei eine Revisionsoperation in einer anderen Klinik notwendig geworden, bei der eine kleinere Prothese habe eingesetzt werden müssen.

Im Rahmen der Aufklärung vor der ersten OP sei er nicht auf Risiken für den Arm und dessen Beweglichkeit hingewiesen worden. An einen handschriftlichen Vermerk auf dem Aufklärungsbogen könne er sich nicht erinnern. Er leide bis heute unter irreversiblen erheblichen Bewegungseinschränkungen, Schmerzen und einer Hebeuntauglichkeit. Dadurch könne er seinen Beruf als Koch nicht mehr ausüben. Vor diesem Hintergrund sei die Klinik verpflichtet, ihm ein angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen.

Die Entscheidung
Die Klage blieb erfolglos. Laut Gericht habe der bestellte Sachverständige nicht feststellen können, dass die Größe des Implantats falsch und zu groß gewählt war. Die Auswahl der Köpfchengröße sei eine Ermessensentscheidung des Operateurs. Ein absolut sicheres Messverfahren gebe es nicht. Mittels einer Probeprothese der geschätzten Größe würden intraoperativ die Stabilität und Funktion des Ellenbogengelenkes kontrolliert, wie dies auch im Streitfall erfolgt sei. Diese Vorgehensweise sei fachgerecht und in der vorgegebenen Situation ohne Alternative. Die von dem Operateur vorgenommene Orientierung der Prothesengröße intraoperativ an den vorhandenen Trümmerfragmenten sei fachgerecht erfolgt. Es sei nicht möglich, präoperativ die korrekte Prothesengröße zu bestimmen.

Den behandelnden Ärzten sei im Übrigen der Beweis für eine ausreichende präoperative Aufklärung über die hier in Rede stehenden Risiken gelungen. Der vom Patienten unterzeichnete Aufklärungsbogen habe dabei nicht den Vollbeweis für den Inhalt des Aufklärungsgespräches erbracht. Denn ein solches Formular sei lediglich ein Indiz für den Inhalt des Aufklärungsgespräches. Der die Aufklärung übernehmende Arzt habe jedoch in der Zeugenvernehmung auf der Grundlage des von ihm handschriftlich ausgefüllten Aufklärungsbogens glaubhaft und nachvollziehbar geschildert, dass er die Aufklärung ordnungsgemäß durchgeführt hat.                                                                                            OLG Dresden, Urteil vom 09.05.2017, Az.: 4 U 1491/16

Fazit
Die ordnungsgemäße Aufklärung des Patienten wird häufig unterschätzt. Dabei passieren die häufigsten Fehler in der ärztlichen Praxis nicht am Behandlungstisch, sondern bei der Kommunikation im Vorfeld eines Eingriffs. Hierbei gilt es Folgendes zu beachten: Der Aufklärungsbogen genügt nicht, um eine ordnungsgemäße ärztliche Aufklärung nachzuweisen. Kommt es zu einem gerichtlichen Verfahren, ist regelmäßig die Zeugenvernehmung des aufklärenden Arztes erforderlich. Diese muss glaubhaft und nachvollziehbar schildern, wie er die Aufklärung durchgeführt hat. Ein handschriftlich ausgefüllter Aufklärungsbogen kann dafür lediglich als Grundlage dienen.

Gesetzliche Aufklärungspflichten des Arztes nach dem BGB

  • Diagnoseaufklärung nach § 630c Abs. 2 Satz 1, 1. Alt. BGB:

Information über die gestellte Diagnose, zu der auch eine Aufklärung über die Verdachtsdiagnose gehören kann

  • Therapieaufklärung nach § 630c Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. BGB:

Information über das vorgesehene therapeutische Vorgehen

  • Risikoaufklärung (Eingriffsaufklärung) nach § 630e Abs. 1 Satz 2, 5. Alt. BGB: Information über die mit der vorgesehenen Behandlung verbundenen Risiken, auch das Risiko der Nichtbehandlung
  • Aufklärung über Behandlungsalternativen nach § 630e Abs. 1 Satz 3 BGB: Information über andere ernsthaft in Betracht kommende Behandlungsverfahren mit andersartigen Risiken
  • wirtschaftliche Aufklärung nach § 630c Abs. 3 BGB:

Information über die mit der Behandlung verbundenen Kosten und die möglicherweise nicht gesicherte Kostenübernahme durch gesetzliche oder private Kostenträger

  • Verlaufsaufklärung nach § 630c Abs. 2 Satz 1, 3. Alt. BGB:

Information über den Therapieverlauf und etwaige Zwischenfälle/Vorkommnisse

  • Sicherungsaufklärung nach § 630c Abs. 2 Satz 1, 4. Alt. BGB:

Information über die Maßnahmen, die zur Sicherung des Therapieerfolges nach Beendigung der unmittelbaren Behandlungsmaßnahmen vom Patienten beachtet werden sollten

  • Aufklärung über Behandlungsfehler nach § 630c Abs. 2 Satz 2 BGB

Es gilt der Grundsatz: Je weniger dringlich ein Eingriff ist, desto umfassender ist darüber aufzuklären. Je dringender die Indikation und je notwendiger der Eingriff, desto geringer sind die Anforderungen an die Aufklärungspflicht.

Viele Ärztinnen und Ärzte kennen Kolleginnen und Kollegen, die schon einmal mit einer Klage konfrontiert wurden. Wie das Gericht im Einzelfall entscheidet, ist nicht immer vorauszusehen. Grundlegend für den eigenen Schutz ist bei Ärztinnen und Ärzten daher eine umfassende Berufshaftpflichtversicherung. Wir beraten Sie gerne zu diesem wichtigen Thema. Nutzen Sie einfach unser Kontaktformular.