Der Arzt als Unternehmer – wichtige Kennzahlen für Ihre Arztpraxis

Lohnt es sich eine zusätzliche Mitarbeiterin einzustellen? Gibt es Bereiche mit Einsparungspotential? Wie steht meine Praxis im Vergleich zum Wettbewerb da? Betriebswirtschaftliche Kennzahlen helfen Ihnen diese und andere Fragen zu beantworten und sind unabdingbar, um unternehmerische Entscheidungen fundiert treffen zu können. In unserem Beitrag gehen wir auf wichtige Kennzahlen ein, mit deren Hilfe Sie die wirtschaftliche Lage Ihrer Praxis messen, überwachen und steuern können.

Personalkostenquote in der Arztpraxis

Die Personalkostenquote setzt den in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) ausgewiesenen Personalaufwand (Löhne und Gehälter, Sozialabgaben, Altersvorsorge und Unterstützung) mit den Umsatzerlösen der Praxis ins Verhältnis.

Personalkostenquote = (Personalkosten/Praxisumsatz) * 100

Durch die Ermittlung der Personalkostenquote kann ein Praxisinhaber erste Hinweise auf die Effizienz und Produktivität in seinem Unternehmen erhalten. So gilt eine Personalkostenquote von unter 25% im Allgemeinen als sehr gut. Bei einer Quote über 35% besteht in der Regel Handlungsbedarf.

Sofern Vergleichszahlen der Fachgruppe vorliegen, kann die Personalkostenquote zudem genutzt werden, um ein Benchmarking mit den direkten Wettbewerbern durchzuführen. In Zentrum steht dabei die Frage, ob vergleichbare Arztpraxen ein der eigenen Praxis entsprechendes Ergebnis mit weniger Personaleinsatz erzielen. Dies könnte ggf. ein Hinweis darauf sein, dass das Praxisteam zu groß oder schlecht organisiert ist. Eine kritische Überprüfung und Optimierung der Praxisabläufe kann Abhilfe schaffen.

Personalkosteneingruppierung in der Allgemeinmedizin

Personalkostenquote (%)
Bewertung
kleiner als 25
sehr gut
25 – 29
gut
30 – 35
überprüfen
Größer als 35
problematisch

Allerdings kann die Personalkostenquote immer nur einen ersten Hinweis auf mögliche Problemfelder liefern. Eine Personalkostenquote von unter 25% bedeutet nicht automatisch, dass der Personalaufwand angemessen ist. An dieser Stelle sei erwähnt, dass auch potentielle Praxisübernehmer sich bei der Analyse der Praxiszahlen nicht allein auf die isolierte Aussage der Personalkostenquote verlassen dürfen. Kennziffern müssen stets im Gesamtkontext betrachtet und interpretiert werden.

Dies sei an einem Beispiel verdeutlicht:
Ein Allgemeinmediziner möchte sich selbständig machen und eine Praxis übernehmen. Folgende Daten zweier konzeptionell gleich ausgerichteter Einzelpraxen mit identischem Verkaufspreis liegen ihm vor (vereinfachte Darstellung):

Praxis A
Praxis B
Praxisumsatz
200.000
205.000
Mitarbeiter/-innen
3 3
Personalkosten
56.000
47.150
Personalkostenquote (%)
28
23
Sonstige Kosten
50.000
50.000
Gewinn
94.000
107.850

Auf den ersten Blick scheint die Entscheidung einfach zu sein: Praxis B macht nicht nur mehr Umsatz, sondern hat auch eine deutlich bessere Personalkostenquote und wirft mehr Gewinn ab.

Ein mit betriebswirtschaftlichen Grundkenntnissen vertrauter Arzt würde sich wahrscheinlich für die Praxis B entscheiden. Schließlich lässt u.a. die Personalkostenquote darauf schließen, dass die Praxis effizienter aufgestellt und somit mittel- und langfristig mit geringeren Fixkosten zu rechnen ist.

Hier ist es aber von entscheidender Bedeutung zu erkennen, dass auf Basis der vorliegenden Daten keine fundierte Entscheidung getroffen werden kann. In der Beratungspraxis kommt es immer wieder zu ähnlich gelagerten Fällen, bei denen die Personalkosten und die Personalkostenquote zunächst kritisch hinterfragt werden müssen, bevor eine Aussage möglich ist. Es ist nämlich durchaus denkbar, dass – um bei unserem Beispiel zu bleiben – in der Praxis B der Ehepartner in Vollzeit mitarbeitet und aus verschiedenen Gründen nur eine geringe Vergütung (Minijob mit 450 €) erhält. Bei der Übernahme der Praxis würde diese Arbeitskraft in der Regel wegfallen. In der Konsequenz müsste eine neue Arbeitskraft zu marktüblichen Konditionen eingestellt werden. Dies würde die Personalkosten um ca. 20.000 € erhöhen. Damit steigt die Personalkostenquote auf rund 33 %. Erst jetzt wird klar, dass die beiden in der Praxis verbleibenden und mit zu übernehmenden Mitarbeiter/-innen überdurchschnittlich gut vergütet werden. Die Personalkosten würden auf 67.150 €  anwachsen und der bereinigte Gewinn läge nur noch bei 87.850 €.

Praxis A
Praxis B
Praxisumsatz
200.000
205.000
Mitarbeiter/-innen
3 3
Personalkosten
56.000
67.150
Personalkostenquote (%)
28
33
Sonstige Kosten
50.000
50.000
Gewinn
94.000
87.850

Zudem darf nicht vergessen werden, dass noch nicht berücksichtigte und schwer zu kalkulierenden Kosten für die Gewinnung und Einarbeitung einer neuen Arbeitskraft anfallen.

Auf Basis dieser Informationen müsste sich der niederlassungswillige Arzt, unter der Annahme dass alle anderen Parameter identisch sind, nun für die Praxis A entscheiden. Um mehr über die Mitarbeitersituation zu erfahren, sollte zusätzlich die Kennziffer Mitarbeiterproduktivität im Auge behalten und regelmäßig erfasst werden.

Mitarbeiterproduktivität in der Arztpraxis

Bei der Mitarbeiterproduktivität geht es um die Frage, welchen durchschnittlichen Umsatz jeder einzelne in der Praxis Beschäftigte erwirtschaftet. Damit auch bei wechselndem Personalbestand eine langfristige Vergleichbarkeit gegeben ist, wird der Jahresumsatz der Praxis mit sog. Vollbeschäftigteneinheiten (VBE) in Relation gesetzt.

Mitarbeiterproduktivität = Jahresumsatz/Vollbeschäftigteneinheiten

Dies sei an einem Beispiel erläutert:
In Ihrer Einzelpraxis mit einem Jahresumsatz in Höhe von 300.000 € arbeiten zwei Mitarbeiterinnen in Vollzeit. Sie haben zudem einen Auszubildenden, der an drei Tagen in der Woche in der Praxis ist. Für Stoßzeiten haben Sie eine Aushilfe, die nach Bedarf einspringt. Durchschnittlich ist sie an zwei Tagen in der Woche in der Praxis.

Wie hoch ist die Mitarbeiterproduktivität?

Lösung:

Berechnung der Vollbeschäftigungseinheiten:

1 (Arzt) + 2 (Vollkräfte) + 0,6 (Auszubildender) + 0,4 (Aushilfe)
= 4 Vollbeschäftigungseinheiten

Somit ergibt sich:

Mitarbeiterproduktivität = 300.000 €/ 4 = 75.000 €

Im Durchschnitt erwirtschaftet jeder einzelne Beschäftigte (einschließlich des Arztes) somit 75.000 € pro Jahr. Manche mögen einwenden, dass die Produktivität des Arztes nicht mit der einer Aushilfskraft auf eine Stufe gestellt werden kann. Dies ist natürlich richtig. Und natürlich liefert die Kennziffer auch nur einen groben Orientierungswert.

Aber: Sinn und Zweck dieser Kennzahl ist es die Produktivität des Teams im Zeitverlauf zu messen, um die Auswirkungen von Veränderungen bestimmen und bewerten zu können. So kann die Mitarbeiterproduktivitätskennziffer unter anderem dazu genutzt werden, um den Erfolg von Trainings- und Weiterbildungsmaßnahmen zu quantifizieren. Beispielsweise müsste ein Training der Mitarbeiter, dass sich mit der Kommunikation sinnvoller, privat zu zahlender Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (IGeL-Leistungen) beschäftigt, dazu beitragen, dass sich die Mitarbeiterproduktivität erhöht. Ebenfalls sollte sich die Mitarbeiterproduktivität verbessern, wenn Abläufe optimiert und ggf. daraus resultierende personelle Überkapazitäten abgebaut werden.

Ob personelle Überkapazitäten bestehen oder vielleicht eine zu große Arbeitsbelastung gegeben ist, kann man tendenziell an der Mehrarbeitsquote und der Krankheitsquote ablesen.

Mehrarbeitsquote in der Arztpraxis

Die Mehrarbeitsquote macht die durchschnittliche Belastung der Mitarbeiter mit Mehrarbeit deutlich. Berechnet wird die Mehrarbeitsquote, indem die Mehrarbeitsstunden mit den Regelarbeitsstunden in Relation gesetzt werden.

Mehrarbeitsquote = Anzahl Mehrarbeitsstunden/ Anzahl Regelarbeitsstunden

Sollte die Mehrarbeitsquote regelmäßig einen hohen Wert aufweisen, so kann dies ein Hinweis dafür sein, dass die Einstellung eines zusätzlichen Mitarbeiters erforderlich ist. Es ist aber auch möglich, dass nur eine Umverteilung und Neuorganisation der Aufgaben notwendig ist. Ob eine solche Maßnahme etwas bewirkt, kann man an der Entwicklung der Mehrarbeitsquote erkennen.

Hohe Mehrarbeitsquoten bringen oft überlastete und unzufriedene Mitarbeiter mit sich. Daher ist es wichtig dies als Alarmsignal zu sehen und besondere Aufmerksamkeit auf die Entwicklung der Krankheitsquote zu legen.

Krankheitsquote in der Arztpraxis

Zur Ermittlung der Krankheitsquote wird die Anzahl der Krankheitstage mit der Gesamtzahl der Soll-Arbeitstage im Betrachtungszeitraum ins Verhältnis gesetzt.

Sie gilt als Indikator für den Gesundheitszustand der Mitarbeiter und hat einen großen Einfluss auf das wirtschaftliche Ergebnis Ihrer Praxis. Sollte die Krankheitsquote deutlich vom Durchschnittswert (Statistisches Bundesamt: 9,5 Arbeitstage pro Jahr) abweichen, so muss über entsprechende Maßnahmen nachgedacht werden. Schließlich bringen krankheitsbedingte Ausfälle nicht nur eine Entgeltfortzahlung von bis zu sechs Wochen mit sich, sondern stellen für die verbliebenen Mitarbeiter eine zusätzliche Belastung dar, die letztendlich auch Auswirkungen auf die Mehrarbeitsquote haben.

Umsatzrendite in der Arztpraxis

Die Umsatzrendite ist eine Rentabilitätskennzahl und setzt den Praxisgewinn und den Praxisumsatz ins Verhältnis. Sie beantwortet die wichtige Frage, welcher prozentuale Anteil vom Umsatz der Praxis als Gewinn verbleibt.

Umsatzrendite = (Praxisgewinn/ Praxisumsatz)*100

Erzielt eine Praxis z.B. bei einem Jahresumsatz von 240.000 € einen Gewinn in Höhe von 96.000 €, so beträgt die Umsatzrendite 40%, d.h. dass jeder Euro Umsatz führt zu einem Gewinn von 0,40 €.

Oft werden wir gefragt, welche Umsatzrendite erzielt werden muss, um von einer profitablen Praxis sprechen zu können. Diese Frage kann leider nicht pauschal beantwortet werden. Während geräteintensive Praxen regelmäßig Umsatzrenditen von weniger als 30% erzielen, können Praxen mit geringen Kosten eine Umsatzrendite von 45% oder mehr aufweisen. Zudem muss bei der Betrachtung zwischen Einzel- und Gemeinschaftspraxen unterschieden werden. So liegt die Umsatzrendite vom Gemeinschaftspraxen, bedingt durch die gemeinsame Nutzung von Personal und Räumen, in der Regel um fünf Prozent höher, als bei Einzelpraxen.

Generell gilt:
Um die Umsatzrenditekennziffer mit Leben zu füllen, muss immer ein Vergleich mit der Fachgruppe vorgenommen werden. Dabei sind auch regionale Unterschiede (Stadt / Land) zu berücksichtigen. Ein Benchmarking mit den direkten Wettbewerbern zeigt, wie es um die wirtschaftliche Effizienz der Praxis bestellt ist.

Fachrichtung Allgemeinmedizin

Umsatzrendite
Bewertung
Größer 50
sehr gut
35 – 49
gut
25 – 34
überprüfen
Kleiner 25
problematisch

Da die Umsatzrendite eine wichtige Kennziffer für die Messung des Unternehmenserfolgs darstellt, sollte jeder Praxisinhaber diese regelmäßig ermitteln und mit den Werten der vergangenen Perioden vergleichen. Eine steigende Umsatzrendite deutet darauf hin, dass sich die Produktivität verbessert hat. Eine sinkende Umsatzrendite muss stets kritisch hinterfragt werden, da sie auf eine gesunkene Produktivität und damit auf steigende Kosten hinweist. Hier ist die Kostenseite der Praxis zu analysieren. Eine Optimierung der Praxisabläufe kann erforderlich sein.

Umsatz je Arztstunde

Die Zeit eines niedergelassenen Arztes ist ein knappes Gut. Immer wieder steht er vor der Frage, ob er bestimmte Tätigkeiten delegieren oder Veränderungen am Leistungsangebot der Praxis vornehmen soll. Zur fundierten Beantwortung dieser Frage muss der Wert der eigenen Arbeitszeit bestimmt und überwacht werden. Dies ist mit der Kennziffer „Umsatz je Arztstunde“ möglich. Zur Berechnung wird der Jahresumsatz der Praxis durch die jährlichen Arbeitsstunden des Arztes geteilt.

Sollten die jährlichen Arbeitsstunden des Arztes nicht erfasst werden, so kann man einen Näherungswert ermitteln, indem man die geschätzten durchschnittlichen Arbeitsstunden pro Arbeitstag mit dem Durchschnittswert der Arbeitstage pro Jahr (in der Regel 210 Tage) multipliziert.

Umsatz je Arztstunde = Jahresumsatz/Jährliche Arbeitsstunden des Arztes

Der Umsatz je Arztstunde ist je nach Fachrichtung sehr unterschiedlich. So liegt ein sehr guter Umsatz je Arztstunde bei einem Allgemeinarzt bei rund 110 €. Für einen Chirurgen wäre dies ein eher schlechter Wert. Hier liegt ein guter Umsatz vor, wenn 160 € oder mehr erzielt werden. Für Radiologen ist ein Umsatz unter 220 € schon als kritisch zu bezeichnen. Gut ist bei dieser Fachgruppe ein Umsatz pro Arztstunde erst dann, wenn er über 300 € liegt.

Um festzustellen, wie effektiv ein Arzt im Vergleich mit den Kollegen der gleichen Fachrichtung arbeitet, sollte in regelmäßigen Abständen ein Benchmarking durchgeführt werden.

Entschuldungskraft der Arztpraxis

Fast jeder Arzt, der in die Selbständigkeit geht, muss ein Darlehen aufnehmen. Das durchschnittliche Finanzierungsvolumen bei der Neugründung einer Einzelpraxis liegt bei 130.000 €. Wenn eine bestehende Einzelpraxis übernommen werden soll, dann sind im Durchschnitt 200.000 € zu finanzieren. Um festzustellen, wie lange es dauert, um Schulden aus dem Cash-Flow (Saldo der Einzahlungen und Auszahlungen) tilgen zu können, wird die Entschuldungskraft berechnet.

Entschuldungskraft = Cash-Flow/Restschulden

Im Bereich der Allgemeinmedizin gelten folgende Eckwerte:

Entschuldungskraft
Bewertung
Größer 40
sehr gut
32 – 39
gut
25 – 31
überprüfen
Kleiner 25
problematisch

Auch bei der Entschuldungskraft ist für die Bewertung der Kennziffer ein Vergleich mit der Fachgruppe notwendig. Grundsätzlich gilt, dass die Entschuldungskraft bei Fachärzten geringer ist als bei den Allgemeinärzten, da die Fremdfinanzierungsquote höher ausfällt.

Sofortliquidität in der Arztpraxis

Ein niedergelassener Arzt hat langfristige und kurzfristige Verbindlichkeiten. Während die langfristigen Verbindlichkeiten (z.B. Darlehen) in der Regel vorgegebene Rückzahlungstermine und -konditionen haben, können kurzfristige Verbindlichkeiten (z.B. Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung) jederzeit fällig werden. Um festzustellen, wie es um die kurzfristige Zahlungsfähigkeit bestellt ist, kann die Kennziffer „Sofortliquidität“ berechnet werden. Diese ergibt sich, wenn der Saldo aller Geldkonten mit den offenen Forderungen addiert und die Summe schließlich durch den Betrag der offenen kurzfristigen Verbindlichkeiten geteilt wird.

Sofortliquidität = (Saldo aller Geldkonten + Offene Forderungen) /Offene kurzfristige Verbindlichkeiten

Eine Sofortliquidität von 100% wäre ideal und würde bedeuten, dass alle kurzfristigen Außenstände sofort beglichen werden können. In der Regel wird der Wert aber geringer ausfallen. Da es sehr unwahrscheinlich ist, dass alle offenen kurzfristigen Verbindlichkeiten auf einmal fällig werden, kann ein Wert von 70% bis 80% als ausreichend angesehen werden.