Patient verweigert Zweitbehandlung: Erstbehandelnder Arzt haftet nicht

Der Fall
Der Kläger, ein Profifußballer, hatte in einem Spiel bei einem harten Zweikampf eine Bissverletzung am Knie erlitten. Die Schneidezähne seines Gegenspielers hatten eine Risswunde am rechten Knie verursacht. Der beklagte Arzt übernahm die Erstversorgung der Wunde, nähte die Verletzung zu und überwies den Fußballer zur weiteren Untersuchung in ein Krankenhaus. Der dort behandelnde Arzt empfahl – richtigerweise – dringend die Öffnung der Naht und die Durchführung einer antibiotischen Therapie. Der Fußballer folgte der Empfehlung nicht. In der Folge kam es zu einer Kniegelenksinfektion, die zu einem irreparablen Knieschaden führte, der die Profikarriere des Fußballers vorzeitig beendete. Er warf dem beklagten Arzt vor, ihn nicht fachgerecht behandelt zu haben. Die Erstversorgung der Wunde durch Vernähen sei grob fehlerhaft gewesen. Wegen des bleibenden Schadens forderte er u. a. ein Schmerzensgeld in Höhe von 75.000 €, eine monatliche Rente von 200 € bis zum 65. Lebensjahr und Verdienstausfall in Höhe von rund 1,33 Millionen €.

Die Entscheidung
Das Gericht wies die Klage ab. Obwohl in der medizinischen Erstbehandlung ein grober Behandlungsfehler des beklagten Arztes zu sehen sei, scheitere dessen Haftung daran, dass der Kläger die dringende Empfehlung des zweitbehandelnden Arztes nicht befolgt habe. Der Kläger sei im Krankenhaus nachdrücklich darauf hingewiesen worden, welche gesundheitlichen Folgen ihm drohten, sollte er diese ärztliche Empfehlung nicht annehmen. Dennoch habe sich der Kläger bewusst gegen diese Behandlung entschieden. Damit habe er selbst eine derart gravierende Ursache für seine bleibende Knieverletzung gesetzt, dass eine Haftung des Beklagten aufgrund der Erstversorgung nicht mehr angenommen werden könne.

Fazit
Nicht jeder medizinische Behandlungsfehler führt automatisch zur Haftung des behandelnden Arztes. Die Haftung ist dann ausgeschlossen, wenn der Patient selbst die alsbaldige Korrektur des Behandlungsfehlers ablehnt und die damit verbundenen Risiken und damit auch die aus dem Fehler des Arztes herrührende Gefährdung „sehenden Auges“ in Kauf nimmt.

Im Ernstfall drohen Schadenersatz und Schmerzensgeld

Als Behandlungsfehler wird eine nicht angemessene, z. B. nicht sorgfältige, fachgerechte oder zeitgerechte Behandlung des Patienten durch einen Arzt bezeichnet. Rechtlich gesehen ist ein medizinische Behandlungsfehler eine Pflichtverletzung im Sinne des § 280 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Der Arzt verletzt durch sein Fehlverhalten eine Pflicht aus dem zwischen ihm und dem Patienten bestehenden Behandlungsvertrag (Dienstvertrag nach § 611 BGB). Zugleich erfüllt der medizinische Behandlungsfehler die Voraussetzungen einer unerlaubten Handlung nach § 823 BGB. Beide Vorschriften dienen dem geschädigten Patienten als Anspruchsgrundlagen für Schadenersatz und Schmerzensgeld. Der Schadenersatz umfasst vor allem die notwendigen Heilbehandlungskosten. Zusätzlich kann der Patient Schmerzensgeld verlangen. Zur Berechnung eines angemessenen Schmerzensgeldes dürfen grundsätzlich alle in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden.

OLG Koblenz, Urteil vom 27.08.2012, Az.: 5 U 1510/11