Grober Behandlungsfehler: Ärztin reinigt Operationswunde versehentlich mit Desinfektionsmittel

Der Fall
Die Klägerin hatte sich zur Operation von Abszessen in der linken Brust in eine Klinik begeben. Dabei wurde die Operationswunde versehentlich mit dem Putzmittel Terralin Liquid, einem Flächendesinfektionsmittel, gespült. Die behandelnde Ärztin hatte die Flasche, in der das Desinfektionsmittel abgefüllt war, mit dem Wundspülungsmittel verwechselt. Beide Mittel werden von demselben Hersteller in gleichartige Flaschen abgefüllt wird. Die Klägerin erlitt hierdurch Verätzungen und litt mehrere Stunden unter heftigen, brennenden Schmerzen.

Die Klägerin erhob Klage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 30.000 €. Darüber hinaus begehrte sie die Feststellung, dass die Ärztin für weitere eintretende Schäden haften müsse. Sie behauptete, dass auch später auftretende Dauerfolgen wie eine Fistelbildung und dauerhafte Schmerzen in der Brust auf den Behandlungsfehler zurückzuführen seien.

Das Landgericht (LG) Köln hatte dem Feststellungsantrag stattgegeben und ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000 € für angemessen erachtet. Die Klägerin ging in Berufung.

Die Entscheidung
Das Oberlandesgericht (OLG) hielt ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.000 € für angemessen, um die aufgrund der Wundspülung mit dem Putzmittel erlittenen akuten Schmerzen und die 6-monatige Heilungsverzögerung auszugleichen. Grund für die Erhöhung des Schmerzensgeldes sei der Umstand, dass der der Beklagten anzulastende Fehler besonders grob und unverständlich gewesen sei. Die versehentliche Verwendung von Terralin Liquid zur Spülung der Brust stelle einen groben Behandlungsfehler dar.

Ein grober Behandlungsfehler setze neben einem eindeutigen Verstoß gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse voraus, dass der Arzt einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf. Die Verwechselung eines Wund- und eines Flächendesinfektionsmittels sei nicht mehr verständlich. Sie sei durch eine Kontrolle des Etiketts der Flasche, aus der das Mittel zur Spülung der Wunde in eine Spritze abgefüllt werde, leicht zu vermeiden. Eine Kontrolle sei im Streitfall umso mehr geboten gewesen, weil das Wundspülungsmittel Octenisept und das Desinfektionsmittel Terralin Liquid vom Hersteller in gleichartige Flaschen abgefüllt werden. Bei dieser Sachlage sei es auch unverständlich, dass das Flächendesinfektionsmittel Terralin Liquid auf einem Wagen mit Verbandsmaterial oder mit zur Behandlung von Patienten bestimmten Desinfektionsmitteln abgestellt worden sei.

Fazit
Der Schmerzensgeldanspruch nach § 253 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist kein gewöhnlicher Schadenersatzanspruch, sondern ein Anspruch eigener Art mit einer doppelten Funktion. Er soll zum einen dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind, und zum anderen dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung schuldet für das, was er ihm angetan hat.

OLG Köln, Urteil vom 27.06.2012, Az.: 5 U 38/10