Medizinstudentin rechtskräftig verurteilt: Studentin haftet neben Klinikbetreiber und Chirurg wegen fahrlässiger Tötung

Der Fall
In einer privaten Schönheitsklinik in Mainz wurde bei einer Patientin eine plastisch-ästhetische Operation durchgeführt. In Vollnarkose erfolgten eine Oberlidstraffung, eine Unterlidstraffung, eine Halsstraffung und ein Facelift. Die Operation verlief ohne Komplikationen. Im Anschluss erhielt die ansprechbare Patientin, die an Diabetes mellitus litt, eine Kochsalzinfusion. Sie war wach und orientiert und konnte sich selbst vom OP-Tisch auf die bereitstehende Liege bewegen.

18:45 Uhr
Die Patientin wurde in das Patientenzimmer verlegt.

19:00 Uhr
Eine Medizinstudentin im 10. Semester, die als Nachtwache arbeitete, trifft in der Klinik ein und es findet eine Übergabe durch den Chirurgen statt. Der genaue Inhalt des Übergabegesprächs ist strittig und die Einzelheiten können nicht mehr genau nachvollzogen werden.

Unstrittig ist, dass der Patientin, die unter Diabetes leidet, Insulin verabreicht und ein Schmerzmittel (Dipidolor) gespritzt wurde. Es ist zudem unstrittig, dass ein behandelnder Arzt eine Medikamentenliste geschrieben hatte, die primär Bedarfsmedikation enthielt.

In der Medikamentenliste findet sich folgender Eintrag: Infusionsrest aus Op iv.

20:00 Uhr
Die Ärzte haben die Klinik verlassen. Die Medizinstudentin blieb als einziges medizinisches Personal auf der Station zurück.

20:15 Uhr
Die Patientin teile der Medizinstudentin mit, dass ihr Übel sei und wünschte etwas zu essen. Sie erhielt von der Studentin einen Joghurt. Die Medizinstudentin maß zudem Blutdruck und Puls sowie den Blutzucker, der mit 219 erhöht war. Daraufhin gab sie der Klägerin auf deren Wunsch zwei Einheiten Insulin. Die Patientin wies die Medizinstudin darauf hin, dass der Blutzucker in etwa einer Stunde erneut der kontrolliert werden müsse.

21:15 Uhr
Die Medizinstudentin schaute nach der Patientin und gab ihr eine Orangensaftschorle zu trinken. Im weiteren Verlauf litt die Patientin unter Erbrechen und verlor viel Flüssigkeit. Die Studentin entschloss sich daraufhin der Patientin Flüssigkeit zuzuführen.

Die Medizinstudentin deutete den Vermerk „Infusionsrest aus Op i.v.“ auf der Medikationsliste falsch und suchte im OP nach der Infusion. Tatsächlich fand sie im OP eine angebrochene Flasche, die mit „NaCl“ beschriftet war und eine milchig-weiße Flüssigkeit enthielt. Sie verabreichte der Patientin die Lösung.

Später stellte sich heraus, dass der Beutel neben Natriumchlorid auch noch Propofol enthielt. Kurz nach Verabreichung trat bei der Patientin Atem- und Kreislaufstillstand ein.

21:29 Uhr
Die Studentin benachrichtigte über den polizeilichen Notruf den Notarzt. Sie führte Notfallmaßnahmen durch, die aber erfolglos blieben.

21:37 Uhr
Der Notarzt traf in der Klinik ein und führt Notfallmaßnahmen durch. Zunächst gab es Schwierigkeiten bei der Intubation.

21:42 Uhr
Es gelang dem Notarzt die Patientin zu intubieren und zu reanimieren.

22:34 Uhr
Die Patientin wurde in das Katholische Klinikum verlegt.

Seitdem liegt die Patientin in einem Wachkoma. Ihr Gehirn ist durch die über längere Zeit unterbliebene Versorgung mit Sauerstoff irreparabel geschädigt. Der Ehemann der Patientin klagt gegen alle Beteiligten.

 

Die Entscheidung
Das Landgericht Mainz gab dem klagenden Ehemann des Opfers in weiten Teilen Recht.

Haftung des Klinikbetreibers
Der Klinikbetreiber habe mit einer Medizinstudentin im 10. Semester „völlig ungeeignetes Personal als alleinige postoperative Nachtwache beschäftigt „und somit gegen die allgemein anerkannten fachlichen Standards verstoßen.

Haftung des Chirurgen
Der Chirurg haftet, da er nicht davon ausgehen konnte, dass die Studentin über die ausreichende Qualifikation verfügt, um als alleinige Nachtwache zu fungieren.

Haftung der Medizinstudentin
Die Medizinstudentin haftet, da es als schwerer Fehler anzusehen ist, den Inhalt einer „im OP zurückgelassene Infusionsflasche mit offenem, also unsterilem Infusionssystem“ und unklarem Inhalt zu infundieren.

LG Mainz, Urteil vom 09.04.2014 , 2 O 266/11

Das Urteil macht deutlich, dass Medizinstudenten eine spezifische Haftpflichtversicherung abschließen sollten, um sich vor Haftungsansprüchen zu schützen.

Unser Tipp: Studentische Mitglieder im Marburger Bund erhalten eine spezifische Berufs- und Privathaftpflichtversicherung – kostenfrei! Gerne schicken wir Dir weitergehende Informationen und den Antrag unverbindlich zu.